Ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren für Deutschland – EU Kommission legt Richtlinienvorschlag vor

Am späten Nachmittag des 22.11.2016 hat die EU Kommission nun ihren Richtlinienvorschlag für eine erste Harmonisierung des europäischen Insolvenzrechts vorgestellt (Directive on preventive restructuring frameworks, second chance and measures to increase the efficiency of restructuring, insolvency and discharge procedures – COM(2016) 723 final). Nach kontroversen Diskussionen mit der Expertengruppe und allen interessierten Stakeholdern hat sich die Kommission nun entschlossen, im Richtlinienvorschlag weitgehend den Kernpunkten der Empfehlung vom 12.3.2014 zu folgen und diese nur vorsichtig um weitere Punkte zu erweitern. Oftmals bleibt es dabei bei Regelungsempfehlungen („Member States may…“).

Eu-flagEntscheidend für das deutsche Recht ist die Passage im Vorschlag, wonach der gewünschte vorbeugende Restruktu-rierungsrahmen (preventive restructuring framework) es Schuldnern in der Krise ermöglichen soll, im Wege der Schuldenrestrukturierung eine „Insolvenz zu vermeiden“ (Art. 4 Abs. 1). Erwägungsgrund 17 stellt hierzu eindeutig klar, dass diese Hilfe vor einer Insolvenz zur Verfügung stehen und eine Zugangsprüfung nicht erfordern soll; ein Missbrauch des Restrukturierungsrahmens soll stattdessen durch die beteiligten Gläubiger verhindert werden, die dem Plan zustimmen müssen. Zugleich soll der Schuldner finanzielle Schwierigkeiten aufzeigen, die eine Insolvenzwahrscheinlichkeit beinhalten und mit dem Plan bewältigt werden. Eine gerichtliche Kontrolle dieser Punkte kann nachgelagert erfolgen (Erwägungsgrund 18).

Damit ist klar, dass das deutsche Schutzschirmverfahren, das ein Planverfahren erst im eröffneten Insolvenzverfahren erlaubt, nicht die neuen Vorgaben erfüllt. Dass dies auch die Kommission so sieht, macht sie in dem ebenfalls veröffentlichten „Country fact sheet Germany“ deutlich – einer grafisch aufbearbeiteten Zusammenfassung der Auswirkungen der vorgeschlagenen Richtlinie, die für jeden einzelnen Mitgliedsstaat veröffentlicht wurde. Für Deutschland wird hier die Effizienz des Insolvenzrechts ausdrücklich anerkannt und folgerichtig (neben einer Verkürzung der Restschuldbefreiung für gescheiterte Unternehmer auf 3 Jahre) nur die Einführung eines flexiblen vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmen mit möglichst geringer Gerichtsbeteiligung aufgrund der Richtlinie hervorgehoben. Ein solches Verfahren könnte etwa den Linien folgen, die unter Beteiligung des BMJV in den Thesen des Gravenbrucher Kreises beschrieben wurden.

Im Vergleich zur Empfehlung vom 12.3.2014 sind nur einige wenige Punkte wirklich neu in die Richtlinie aufgenommen worden. Der entsprechende Diskussionsprozess lässt sich anschaulich dem geleakten Diskussionspapier entnehmen. Insgesamt hervorzuheben wären an dieser Stelle folgende Punkte:

  • die Einführung von frühen Warnmechanismen für Unternehmen;
  • die Verfügbarkeit eines kollektiven oder auch individuellen Vollstreckungsstopp für max. 4 Monate (verlängerbar auf max. 12 Monate, der gleichzeitig auch Antragspflichten suspendiert;
  • ein Restrukturierungsplan, der nicht alle Gläubiger, nun aber auch die Gesellschafter erfassen und ggf. über ein Obstruktionsverbot nach dem Vorbild des § 245 InsO durchgesetzt werden kann;
  • Rechtsmittel gegen eine Planbestätigung sollen zugelassen, aber keine aufschiebende Wirkung haben;
  • Safe harbour für alle Restrukturierungshandlungen vor Anfechtbarkeit und Haftung sowie eine Vorrang für die Sanierungsfinanzierung in einer Folgeinsolvenz;
  • Qualifikations- und Konzentrationsanforderungen an Insolvenzrichter;
  • Anforderungen an die Qualifikation, Auswahl, Aufsicht, Haftung und Vergütung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern (practitioners in the field of restructuring, insolvency and second chance) sowie
  • eine Datenerhebungspflicht.

Es bleibt abzuwarten, in welcher Form diese Vorschläge den europäischen Gesetzgebungsprozess überstehen, der nun gerade erst beginnt. Insbesondere die neuen Regelungen zum Berufsrecht sowie zur Gesellschafterbeteiligung könnten hier noch auf den Widerstand einzelner Mitgliedsstaaten stoßen. Die Diskussion um die beste Lösung bleibt spannend.

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