NZI 2010, S. 430 ff.

Möglichkeit und Grenzen einer Reform der Rechtsmittel gegen den Beschluss über die Insolvenzplanbestätigung

 Der Beitrag widmet sich dem Verzögerungseffekt der derzeitig zulässigen Rechtsmittel gegen einen Bestätigungsbeschluss im Insolvenzplanverfahren.

Derzeit steht jedem einzelnen Gläubiger sowie dem Schuldner die Befugnis zu, gegen den Bestätigungsbeschluss des Insolvenzgerichts das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzulegen (§ 253 InsO). Aus der breiten Rechtsmittelbefugnis entsteht aber erst infolge der Regelung in § 254 Absatz 1 InsO ein wirkliches Problem, knüpft dieser doch den Eintritt jeglicher Wirkungen des Insolvenzplans an den Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung. Jeder an einer Planverhinderung interessierte Gläubiger kann daher die bestätigte Planlösung allein dadurch verzögern, dass er die sofortige Beschwerde überhaupt erhebt. Mit dem angenommenen Insolvenzplan nicht einverstandene, in der Abstimmung aber überstimmte Gläubiger versuchen nun nicht selten auf diesem Wege, die Umsetzung des Insolvenzplans gerichtlich zu stoppen, um die dort vorgesehenen Forderungsverluste zu verhindern. Das Beschwerderecht aus § 253 InsO steht ihnen dabei zusätzlich zum möglichen Antrag auf Minderheitenschutz gem. § 251 InsO im Bestätigungsverfahren zu. Jeder vom Plan betroffene Gläubiger kann daher derzeit mehrere gerichtliche Instanzen mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Insolvenzplans beschäftigen. In der Gerichtspraxis kann man folgerichtig langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen beobachten; Sanierungsbemühungen werden vereitelt oder zumindest verteuert.

In diesem Beitrag schlage ich vor, bei der angedachten und notwendigen Reform dieser Bestimmungen sollte man über die Ansätze des Reformgesetzgebers im ESUG (Erschwerung der Rechtsmittelbefugnis) hinauszugehen und sich stattdessen am Vorbild des Verfahrens nach Chapter 11 des U.S. Bankruptcy Code zu orientieren. Dieser lässt die Rechtsmittelbefugnis unberührt, nimmt der Beschwerde aber grundsätzlich die aufschiebende Wirkung, sodass der Plan binnen zwei Wochen nach dessen Bestätigung in Kraft treten kann. Nur ausnahmsweise und bei schweren Nachteilen aus der Planumsetzung kann der Richter auf Antrag eines Beteiligten die sofortige Planvollziehung aussetzen. Diese Regelungssystematik ist dem deutschen Recht aus § 570 ZPO bekannt und daher kein Systembruch. Auch verfassungsrechtlich gibt es keine Bedenken, garantiert der Justizgewährungsanspruch doch keinen Instanzenzug. Allerdings müsste schon die Bestätigungsentscheidung dem Richter vorbehalten werden (was das ESUG nun vorsieht, auch wenn die dort geplante Übertragung des gesamten Planverfahrens auf den Richter als unnötig weitreichend erscheint – die Übertragung der Bestätigungsentscheidung würde genügen; im Übrigen könnte weiter der Rechtspfleger tätig werden).

Reaktionen:

Das Bundesministerium der Justiz hat in der Begründung zum Regierungsentwurf zum ESUG ein Aufgreifen dieses Vorschlags ausdrücklich abgelehnt.

BT-Drucks. 17/ 5712, S. 35:

„Eine solche Lösung wäre mit der Rechtsnatur des Insolvenzplans, der mit seiner Bestätigung materiell gestaltende Wirkung entfaltet, nicht vereinbar gewesen. Für die Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage des Insolvenzplans muss Klarheit bestehen. Es wäre nichts gewonnen, wenn der Plan zunächst wirksam würde, dann aber durch eine Beschwerdeentscheidung wieder beseitigt wird.“

Diese Begründung verkennt meinen Regelungsvorschlag. Eine nur vorläufige Wirksamkeit des Planes würde nie entstehen. Würde eine aufschiebende Wirkung – wie im Regelfall – nicht angeordnet, so würde selbst ein erfolgreiches Beschwerdeverfahren nicht zu einer Aufhebung des Plans führen, sondern (in Anlehnung an § 246a Abs. 4 AktG) nur zu einem Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers. Die materiellrechtlichen Wirkungen des Insolvenzplans (als Vertrag – dazu ausführlich in meiner Habilitation) bleiben unzweifelhaft.

Siehe wörtlich auf S. 434 im Beitrag: „[…] Vermögensinteressen einzelner Gläubiger können in Anlehnung an die Regelung in § 246a IV AktG angemessen dadurch berücksichtigt werden, dass der jeweilige Gläubiger (oder de lege ferenda auch ein Gesellschafter der Schuldnergesellschaft) als Beschwerdeführer trotz des sofortigen Planvollzugs das Recht zur Fortführung seines Beschwerdeverfahrens behält, welches ihm allerdings im Erfolgsfall nur noch den Ersatz seines planbedingten Vermögensschadens zusprechen kann. Tatsächlich geht es für jeden Insolvenzgläubiger wie für jeden Aktionär in § 246a AktG in der Sache doch nur um eine Überprüfung der im Insolvenzplan bzw. im Hauptversammlungsbeschluss vorgesehenen Vermögensopfer, also um den Schutz eines Vermögensinteresses. Dieser Schutz kann durch ein Schadenersatzverfahren angemessen gewährleistet werden.“ [Hervorhebung nur hier, nicht im Original]

Das Missverständnis, das im BMJ, aber auch bei Eberhard Braun und Jens Heinrich (NZI 2011, 505, 510), entstanden ist, kann insofern nur mit Verwunderung zur Kenntnis genommen und einer unvollständigen Lektüre meines Beitrags zugeschrieben werden.

In der Literatur:

  • zustimmend :
    • Frank Frind, ZInsO 2010, 1426, 1431
    • Frank Frind, ZInsO 2011, 656, 658
    • Hans-Friedrich Müller, KTS 2011, 1, 22 f.
  • sogar darüber hinausgehend Braun/Heinrich, NZI 2011, 505, 510, wenn sie die Möglichkeit einer Beschwerde gänzlich in Frage stellen

 Der Rechtsausschuss ignoriert die Bedenken des BMJ und ändert das ESUG:

Wirklich bemerkenswert ist eine Änderung des ESUG, die erst durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages – und damit quasi in letzter Sekunde – in das Gesetz gerutscht ist: die Neuregelung in § 253 Abs. 4 InsO. Danach kann das Beschwerdegericht im Fall einer Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluss diese unverzüglich zurückweisen, wenn “das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen”. Da zugleich das Abhilfeverfahren beim Insolvenzgericht ausgeschlossen wird, kann auf diesem Wege trotz der Einlegung von Rechtsmitteln schnell eine Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung erreicht werden. Die Wirkungen des Insolvenzplans können durch Rechtsmittel nicht mehr lange verzögert werden. Der Beschwerdeführer wird zugleich auf einen möglichen Schadenersatz im Falle einer inhaltlich begründeten Beschwerde verwiesen.

Entgegen der Argumentationslinie des BMJ greift der Rechtsausschuss damit endlich Vorschläge auf, den Suspensiveffekt der Rechtsmittel gegen einen bestätigten Insolvenzplan zu beschränken und den Beschwerdeführer auf Schadenersatzansprüche zu verweisen. Im Gegensatz zu meinem Vorschlag geht das Gesetz nun nicht den Weg eines automatischen Eintritts der Planwirkungen, der nur auf Antrag des Beschwerdeführers und bei Glaubhaftmachung schwerer Nachteile verhindert werden kann. Es verlagert die Darlegungs- und Beweislast stattdessen auf den Insolvenzverwalter, der beim Beschwerdegericht die Zurückweisung der Beschwerde beantragen und ein Überwiegen der Nachteile einer Planverzögerung vortragen muss. Warum auch bei einem Schuldnerplan der Insolvenzverwalter allein antragsberechtigt sein soll, bleibt offen. Ich meine weiterhin, eine Abkehr vom Mechanismus des aktienrechtlichen Freigabeverfahrens, an dem sich der Gesetzgeber orientiert, hin zu einem Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekt sowie der dann fehlenden kassatorischen Wirkung einer Beschwerde wäre sachgerechter. Dennoch ist der Vorstoß des Rechtsausschusses als wesentlicher Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Der Suspensiveffekt einer Beschwerde wird zumindest relativiert und der Beschwerde bei Wegfall des Suspensiveffekts die kassatorische Wirkung genommen. Die Praxis sollte mit dieser Regelung sehr gut leben können.