KTS 2012, 27-58

Die zeitliche Grenze des Rechts zur Rücknahme eines Insolvenzplans durch den Planinitiator

– zugleich eine Untersuchung zur Rechtsnatur des Insolvenzplans und der auf seine Entstehung gerichteten Beteiligtenhandlungen im Insolvenzplanverfahren –

 

Während derzeit intensiv über eine Reform des Insolvenzplanverfahrens diskutiert wird, sind dessen dogmatische Grundlagen bislang nur selten umfassend untersucht worden. Die insofern fehlende Fundierung des Rechtsgebiets macht sich insbesondere dann negativ bemerkbar, wenn Fragen beantwortet werden müssen, auf welche die gesetzliche Regelung in den §§ 217 ff. InsO ebenso wenig eine Antwort bietet wie die über § 4 InsO subsidiär zum Zuge kommende ZPO.

Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Frage, wie lange ein Planinitiator seinen Insolvenzplan im Verfahren noch zurücknehmen darf. Diese Frage dient im Beitrag als Anknüpfungspunkt dafür, die Rechtsnatur des Insolvenzplans und der auf seine Entstehung gerichteten Beteiligtenhandlungen im Insolvenzplanverfahren zu klären.

Dabei wird deutlich, dass die Planvorlage eine Prozesshandlung ist, ohne dass sich aus dem insofern anzuwendenden Prozessrecht eine zeitliche Grenze für die Rücknahme der Planvorlage ergibt. Die Erklärungen der Gläubiger, Schuldner und bald auch Gesellschafter im Abstimmungstermin lassen – wie sich nach eingehender Untersuchung ergibt – nur dann schon in diesem Moment einen Vertrag in Form des Insolvenzplans entstehen, wenn alle im Abstimmungstermin ausdrücklich zustimmen. Ansonsten kommt der Insolvenzplan aufgrund von Zustimmungsfiktionen erst mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichtes zustande.

Die gerichtliche Beteiligung dient allein der Rechtmäßigkeitskontrolle im Interesse des gesteigerten Rechtssicherheitsbedürfnisses in Sanierungsfällen sowie der Durchsetzung von Kontrahierungszwängen. Das Gericht schafft keine materiellen Regelungen und auch die Bindung nicht konsentierender Beteiligter basiert nicht auf Urteils- bzw. Beschlusswirkungen, sondern allein auf einem materiellen Kontrahierungszwang, der gerichtlich festgestellt und analog § 894 ZPO durchgesetzt wird.

Der Insolvenzplan ist damit als Vertrag bürgerlichen Rechts zu qualifizieren. Er ist ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB.

Der Insolvenzplan ist kein Prozessvertrag, fehlen ihm doch materielle Hauptwirkungen (was von allen Theorien zum Prozesshandlungsbegriff vorausgesetzt wird). Der Insolvenzplan ist in seinen Voraussetzungen zwar im Prozessrecht normiert und wird in einem gerichtlichen Forum geschlossen. Sein Inhalt wirkt dennoch nicht auf das Verfahren ein. Er beendet weder das Insolvenzverfahren (dazu wird ein Beschluss benötigt) noch wird er als Titel Grundlage einer Vollstreckung der Gläubiger (hierzu bedarf es des Tabelleneintrags).

Die Schaffung eines dogmatischen Gerüstes ermöglicht es am Ende, Probleme im Umgang mit dem Insolvenzplan(verfahren) zu lösen. Für die Planrücknahme gilt danach: Haben im Abstimmungstermin alle Beteiligten ausdrücklich zugestimmt, so ist der Insolvenzplan als Vertrag entstanden – eine einseitige Rücknahme scheidet aus. Fehlen in der Abstimmung einzelne Zustimmungserklärungen, so kommt der Plan erst durch seine rechtkräftige Bestätigung als Vertrag zustande. Bis dahin kann die Planvorlage als bloßes Objekt der Vertragserklärungen zurückgenommen werden. Einer besonderen Gläubigerzustimmung (etwa der Gläubigerversammlung) bedarf es nicht.