ZIP 2010, S. 1214 ff.

„Sind Vorzugsaktionärsrechte letztrangige Insolvenzforderungen?“

 Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 15.4.2010 (ZIP 2010, 1039) die Entscheidungen der Vorinstanzen (LG Düsseldorf ZIP 2009, 1337 und OLG Düsseldorf ZIP 2009, 2350) aufgehoben und gänzlich unerwartet die Befreiungswirkung eines Insolvenzplans auf Ansprüche von Vorzugsaktionären ausgedehnt. Erstmals hielt der IX. Zivilsenat damit einen zwangsweisen Eingriff des Insolvenzplans in Gesellschafterrechte für zulässig, ohne auch nur mit einem Wort den exakt gegenteiligen Willen des Gesetzgebers zu erwähnen. Dies weckt erhebliche methodische und verfassungs-rechtliche Bedenken, auch wenn der BGH den Planeingriff derzeit  explizit auf die Nachzahlungsansprüche von Vorzugsaktionären beschränkt.

  • Die Gesellschafter des Schuldners sind keine Beteiligten im derzeitigen Insolvenz-planverfahren der §§ 217 ff. InsO.

Der Reformgesetzgeber von 1994 hatte sich explizit dagegen ausgesprochen, auch die Rechtsstellung der am Schuldner beteiligten Personen für Planregelungen zu öffnen. Stattdessen wurde § 249 InsO geschaffen, über den die Bestätigung des Plans von der Erfüllung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen abhängig gemacht werden kann.

  • Keine teleologischen Extension des § 225 Abs. 1 InsO

Aufgrund der klaren Entscheidung des Gesetzgebers ist bis zu einer neuen Reform (durch das ESUG) eine richterliche Rechtsfortbildung, die zur Einbeziehung von Gesellschafterrechten in die Planwirkungen führt, unzulässig.

  • Keine gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung

Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Planbedingung nach § 249 InsO besteht auch kein Raum für die Annahme eines gesetzgeberischen Notstandes, der eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung erlauben würde.

  • Die notwendige Unterscheidung eines Liquidations- von einem Reorganisations-szenario

Die gesellschafts- wie insolvenzrechtliche Wertung der Berechtigung der Gesell-schafter im Nachrang zur vollständigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger hat nur für den Fall der Liquidation der Gesellschaft ihre Berechtigung. Bleibt die Gesellschaft infolge einer Reorganisation als Rechtsträger erhalten, so sind die Rechtspositionen der Gesellschafter weiter voll wirksam und insbesondere von Art. 9 GG geschützt.