Der Richtlinienentwurf der Kommission durchläuft derzeit weiter planmäßig den europäischen Rechtsetzungsprozess mit seinen drei Beteiligten (hier ein Überblick). Die EU-Kommission hat mit ihrem Vorschlag einer Richtlinie zur vorinsolvenzlichen Restrukturierung und zweiten Chance den Prozess initiiert. Seither beraten die Mitgliedstaaten, vertreten durch ihre Ministerialbeamten, in den Arbeitsgruppen des Rates über den Vorschlag. Und auch das Europaparlament hat am 16. Januar 2017 seinen Rechtsausschuss mit einer Prüfung und Stellungnahme beauftragt (zum Prozessablauf hier). Der Rechtsausschuss bestellte Frau Niebler als Berichterstatterin, die – nach mehreren Anhörungen – ihren Bericht am 25.9.2017 dem Ausschuss präsentierte. Hier regt sie Änderungen am Kommissionsentwurf vor allem an folgenden Punkten an:
- Keine Eingriffe in Rechte der Arbeitnehmer durch die Maßnahmen in der Richtlinie (Aussetzung, Plan)
- Erleichterte Einschaltung eines Restrukturierungsverwalters (von Amts wegen bei allen (!) Aussetzungsanordnungen; auf Antrag des Schuldners oder eine Gläubiger-mehrheit)
- Aussetzungsmaßnahmen nur für 2 Monate, maximal 6 Monate
- Keine Suspendierung von Insolvenzantragspflichten durch Aussetzungsanordnungen
- Begrenzung des Kreises der durch Aussetzungsanordnung an der Geltendmachung von vertraglichen Gestaltungsrechten gehinderten Gläubiger auf solche mit „wesentlichen“ Verträgen
- Möglichkeit einer Vorabprüfung der Gruppenbildung und Stimmrechte durch das Gericht
- Notwendigkeit einer Kopf– und Summenmehrheit statt nur einer Summenmehrheit in jeder Gruppe
- Obstruktionsverbot gegen eine ablehnende Gruppe nur bei tatsächliche Zustimmung der Mehrheit der Gläubigergruppen
- Keine Entschuldung ohne vorheriges Insolvenzverfahren
Der Rechtsausschuss des Europaparlaments wird diesen Bericht sowie eine Vielzahl weiterer Änderungswünsche von Parlamentariern noch im Dezember diskutieren. Am 5.12.2017 hat bereits der Arbeits- und Sozialausschuss des Europaparlaments seine Stellungnahme beschlossen, die sich auf die Position der Arbeitnehmer fokussiert.
Im neuen Jahr wird es dann zunächst im Plenum des Europaparlaments darum gehen, eine Stellungnahme des Parlaments mit Änderungsvorschlägen zu beschließen. Zeitgleich sollten die Ratsarbeitsgruppen ihre Arbeit an der Ratsposition abschließen, sodass der Trilog beginnen kann, in dessen Rahmen der Entwurf der Kommission mit den Vorstellungen des Rates und des Parlamentes konfrontiert und nach einer Kompromisslösung gesucht wird. Idealerweise kann dies noch in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 gelingen.
Die Umsetzung der hieraus entstehenden Richtlinie in deutsches Recht wird also frühestens 2019 beginnen. Die Diskussion hierzu würde zuletzt wieder durch das BMJV organisiert und als Expertenrunde am 4. und 5. Dezember 2017 in Berlin veranstaltet. Der deutsche Gesetzgeber scheint nach den Eindrücken aus dieser Runde gut vorbereitet.
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