„Keine Effektivität einer europäische class action ohne „amerikanische Verhältnisse“ bei deren Finanzierung“
Derzeit gibt es in Deutschland – wie in vielen EU-Staaten – kein besonderes Prozessinstrument zur effektiven Geltendmachung von Streuschäden, also Schäden, die bei einer großen Personenzahl auftreten, gleiche oder vergleichbare Ursachen haben und deren Höhe so gering ist, dass der einzelne Betroffene seinen juristischen Anspruch nicht weiter verfolgt, da die Durchsetzung seiner Ansprüche vor Gericht höhere Kosten verursacht als der eigentliche Schaden.
Die EU-Kommission hat vor diesem Hintergrund zunächst für das Wettbewerbs- und Verbraucherrecht die Schaffung eines gerichtlichen kollektiven Rechtsdurchsetzungs-verfahrens auf europäischer Ebene zur Diskussion gestellt, bevor im Frühjahr 2011 Konsultationen über eine Verabschiedung derartiger Verfahrensregelungen für alle Rechtsgebiete stattfanden. Als Optionen liegen (neben einer Verbandsklage) vor allem die Gruppenklage auf dem Tisch, wobei die Kommission offen ließ, ob diese als Opt-in- oder Opt-out-Verfahren zu gestalten wäre.
In dem Beitrag wird der Gedanke der Schaffung einer Gruppenklage aufgenommen und aufgezeigt, dass diese besondere Kosten verursacht, die einen einzelnen Kläger rationalerweise von der Erhebung einer solchen Klageart noch mehr abhalten werden als das geringere Kostenrisiko einer Individualklage. Das Rechtsdurchsetzungsdefizit bei Streuschäden kann mithin eine Gruppenklage nur dann beseitigen, wenn diese dem Kläger kein Kostenrisiko aufbürdet.
Eine effektive Gruppenklage muss daher das Kostenrisiko verschieben. Eine Verschiebung auf einen Verband (Verbandsgruppenklage) ist m.E. wenig hilfreich, da diesen angesichts des geringen Budgets die enormen potenziellen Kosten einer Gruppenklage ebenso von der Klageerhebung abhalten wie Privatpersonen. Stattdessen sollte das Kostenrisiko mittels erfolgsabhängigen Honorars auf den Prozessanwalt des (Gruppen-)Klägers verschoben werden, da dieser als Fachmann das Kostenrisiko im Hinblick auf ein besonderes Vergütungsinteresse richtig einschätzen und tragen kann. Den dabei angesichts der U.S.-amerikanischen Class Action for Money Damages auftretenden Missbrauchsrisiken ist durch eine frühe gerichtliche Entscheidung über die Zulassung einer Klage als Gruppenklage sowie durch eine gerichtliche Vergleichskontrolle entgegenzuwirken.