Der Insolvenzplan
von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz
Jus Privatum, Band 157, Tübingen 2011
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Die Veröffentlichung der Schrift wurde durch die Förderung der Fritz-Thyssen-Stiftung für Wissenschaftsförderung ermöglicht, wofür hier nochmals herzlichst gedankt sei.
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Rezensionen:
- De Stasio, Revista delle Società 2011, S. 810-811
- Smid, DZWIR 2011, S. 446-453 (Replik hierzu)
- Köhler, ZIER 2012
- Kurzbeschreibung aus dem Verlagsprospekt:
Krisenzeiten sind Blütezeiten des Insolvenzrechts. Für die Insolvenzordnung des Jahres 1999 ist die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise die erste echte Feuertaufe und die angestoßenen Reformen belegen, dass sich gerade ihr Planverfahren noch nicht bewährt hat. Da die Fortentwicklung jedes Rechtsinstituts zwingend das Verständnis seiner Dogmatik voraussetzt, untersucht Stephan Madaus zunächst ausführlich die Rechtsnatur des Insolvenzplans, den er als (in der Entstehung von einem Kontrahierungszwang begleiteten) Vertrag zwischen allen Beteiligten erkennt. Hierauf aufbauend entwickelt er in Anlehnung an das U.S.-amerikanische Insolvenzrecht eine neue Variante des Planverfahrens, die es de lege ferenda als reine Bestätigungsinsolvenz ermöglichen würde, vorinsolvenzliche Abstimmungen über einen Insolvenzplan im anschließenden Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung nur noch bestätigen zu lassen.
- Die Kernthesen der Arbeit:
1. Der Insolvenzplan ist ein Vertrag bürgerlichen Rechts, der als Vergleich (§ 779 BGB) einzuordnen ist.
In funktioneller Hinsicht ist der Insolvenzplan die Fortführung (bzw. verspätete Einleitung) außergerichtlicher Sanierungsverhandlungen und damit wie diese ein Vergleich, der trotz der Blockadehaltung einzelner Beteiligter zustande kommt. In Funktion, Inhalt und Ergebnis unterscheidet er sich nicht von einem außergerichtlichen Vergleich (einem Vertrag); allein sein Zustandekommen ist erleichtert.
Die rechtsgeschichtliche Untersuchung der Vorgängerregelungen des Insolvenzplans ergibt, dass Akkorde oder Zwangsvergleiche seit ihrer Entstehung im klassischen römischen Recht bis zu den Arbeiten von August Sigmund Schultze im Jahr 1880 zur damaligen Konkursordnung einhellig als Verträge angesehen und behandelt wurden. Erst ab diesem Zeitpunkt setzte in Deutschland eine wissenschaftliche Diskussion ein, in welcher weiterhin ganz überwiegend die Vertragsnatur des Zwangsvergleichs der Konkursordnung von 1879 wie auch des Vergleichs der Vergleichsordnungen von 1927 und 1935 vertreten wurde. Leider griff der Reformgesetzgeber 1994 diese Diskussion nicht auf. Klarheit herrscht daher bis heute nicht.
Die 1994 erfolgende Rezeption des amerikanischen Modells eines Reorganisa-tionsplans anstelle der funktionslosen Rechtsinstitute des Zwangsvergleichs und Vergleichs kann ebenfalls nicht als Bruch mit der Vertragstheorie gewertet werden, wird doch auch dieser Plan in seiner Herkunftsrechtsordnung ganz überwiegend als Vertrag eingeordnet. Die Arbeit bietet hier erstmalig eine eingehende Untersuchung der Rechtsnatur des Chapter-11-Plans. Selbst eine Abkehr vom Vergleich hin zum Plan nach amerikanischem Vorbild ist daher keine Abkehr vom Vertragskonzept.
Eine Qualifikation des Insolvenzplans als Rechtsnorm kann nicht überzeugen, fehlt dem Plan doch das jede Rechtsnorm charakterisierende Merkmal der Generalität. Der Wirkungskreis des Insolvenzplans ist in personeller Hinsicht nicht unbestimmt, sondern stets bestimmbar (Insolvenzgläubiger, freiwillig beteiligte Dritte, Schuldner).
Der Insolvenzplan ist ein Vertrag, der atypisch im Wege der Zustimmung aller Beteiligten zu einer Vorlage zustande kommt. Zugleich wird er von Kontrahierungs-zwängen begleitet, die sowohl die Minderheit in einer mehrheitlich zustimmenden Gruppe als auch Beteilligte in missbräuchlich nicht zustimmenden Gruppen treffen. Ein derartiger Zwang lässt einen diktierten Vertrag im weiteren Sinn entstehen, der nach der allgemeinen zivilrechtlichen Lehre als Vertrag einzuordnen ist.
Die Funktion der Bestätigungsentscheidung des Insolvenzgerichtes erschöpft sich mangels Gestaltungsbefugnis in der Durchsetzung von Kontrahierungszwängen (analog § 894 ZPO, dem ebenfalls keine Gestaltungswirkung zugesprochen wird) sowie zur Befriedigung des besonderen Bedürfnisses nach Planungssicherheit bei Sanierungen der unmittelbaren rechtlichen Kontrolle des Zustandekommens des Plans (mit entsprechender Heilungswirkung aufgrund der Rechtskraft) und der Wahrung der Minderheitsrechte. Die Bestätigungsentscheidung ist damit Akt der Rechtsprechung.
Der Insolvenzplan ist damit ein reiner Vertrag und mangels prozessualer Haupt-wirkungen (keine unmittelbare Verfahrensbeendigung; keine Titulierungsfunktion) kein Prozessvertrag. Allein der Abschluss im gerichtlichen Forum genügt dafür nicht.
2. Ein Planverfahren ist neben Auktionsmodellen (wie der übertragenden Sanierung) und auf einem Debt-to-Equity-Swap basierenden Optionsmodellen eine notwendige wie nützliche Handlungsoption auch in der Insolvenz.
Ein Plan-/Akkordverfahren sollte von der Rechtsordnung in der Insolvenz angeboten werden, um den Beteiligten alle Handlungsoptionen zur Insolvenzbewältigung zu bieten. Reine Auktions- und Optionsmodelle lassen hier Lücken.
Das Planverfahren bietet als Aggregationsmechanismus des Wissens einer Vielzahl von Personen unterschiedlichster Interessen und Kenntnisse eine Richtigkeitsgewähr für die hier zu treffende Prognoseentscheidung unter Ungewissheit, die Entschei-dungen durch einzelne Experten oder Richtern überlegen ist. Es ist mithin der richtige Mechanismus zur Entscheidung über ein Sanierungskonzept.
3. Was dem deutschen Insolvenzrecht bislang noch fehlt, ist die Anerkennung von Plänen, die die Mehrheiten für einen Insolvenzplan schon vor der Stellung eines Eröffnungsantrags auf sich vereint haben (pre-voted bankruptcy). Es bietet damit keine sicher planbare Sanierung in der Situation einer drohenden oder schon eingetretenen Insolvenz. Dies ließe sich ändern, indem man schlicht außergerichtliche Mehrheitsentscheidungen als Planabstimmung akzeptiert und das Insolvenzverfahren auf ein Planverfahren reduziert, das allein der Bestätigung dieses bereits angenommenen Plans dient und mithin ohne Eröffnungsverfahren und in garantierter Eigenverwaltung stattfindet (Bestätigungs-insolvenz). Ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren wäre überflüssig.