(Hinweis: Update vom 17.11.2015 am Ende des Beitrags)
Wer ein Girokonto hat, dem kann so einiges passieren. Der Zahlungsverkehr ist ein Massengeschäft und so kommt es nicht selten vor, dass Fehler passieren. Liegen die Fehler beim Kunden – gibt dieser also etwa die falschen Daten bei einer Überweisung an oder vergisst er die Löschung eines Dauerauftrags -, so ist er es natürlich, der das Risiko trägt, das angewiesene Geld nicht mehr zurückholen zu können. Sein Fehler – sein Risiko. Passiert der Fehler aber der Bank, beachtet diese also etwa nicht den ordnungsgemäßen Widerruf eines Überweisungs- oder Dauerauftrags, überweist sie irrtümlich zuviel oder führt sie einen Auftrag gar doppelt aus, so ist die Lage nach der herkömmlichen Rechtsprechung des BGH nicht so einfach. Hier ist es nicht automatisch die Bank, die nun dem Geld hinterherlaufen muss. Stattdessen schiebt der BGH in gewissen Fallkonstellationen dem Kunden das Risiko eines Bankfehlers zu. Doch es gibt Hoffnung.
Die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie hat dem deutschen Recht die §§ 675a ff. BGB geschenkt und damit erstmals eine ausführliche Kodifikation des bargeldlosen Zahlungsverkehrs geschaffen. Während die Richtlinie die Auslegung der neuen Normen gut erläutert, bleiben die Fragen der Einbindung des neuen Regelungswerkes in das deutsche System des Privatrechts dem deutschen Gesetzgeber vorbehalten. Dieser meinte nun, es gäbe nach der Umsetzung keinerlei Probleme, würde doch die bisherige, richterrechtlich geprägte Rechtslage, insbesondere zum Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen, durch die Umsetzung nicht berührt (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 113).
Schon die ersten Analysen der Wissenschaft zeigten, dass diese Feststellung durchaus fragwürdig ist (vgl. etwa Bartels, WM 2010, 1828, 1830; Grundmann, WM 2009, 1109, 1117). Hatte die Bank einen Geldbetrag an den Empfänger überwiesen, obwohl ein entsprechender Auftrag des Kunden fehlte oder rechtzeitig widerrufen worden war, so unterscheidet der BGH bislang in ständiger Rechtsprechung zwei bereicherungsrechtliche Konstellationen (vgl. zuletzt BGHZ 176, 234; BGH NJW 2011, 66, 69 f.): In der ersten Fallgruppe fehlt jede Anweisung des Kunden für eine Überweisung und eine solche ist ihm auch nicht zurechenbar (Überweisung trotz fehlendem oder gefälschtem Überweisungsauftrag; Doppelüber-weisung) – dann kann die Bank nicht beim Kunden kondizieren, sondern darf dessen Konto nicht belasten und muss selbst beim Empfänger kondizieren, wobei dessen Gutgläubigkeit in die Rechtmäßigkeit der Leistung unerheblich ist. Insofern deckt sich die Rechtsprechung problemlos mit der europarechtlichen Vorgabe, die sich in § 675u BGB findet: Bei einem „nicht autorisierten Zahlungsvorgang“ gibt es keinen „Aufwendungserstattungs-„Anspruch der Bank gegen den Kunden.
Problematisch wird nun die Behandlung der zweiten Fallgruppe: Hat der Kunde den Fehler der Bank, also die Falschüberweisung, „mit veranlasst“ (rechtzeitiger, aber missachteter Widerruf des Auftrags; Zuvielüberweisung der Bank), so liegt für den BGH eine Leistung des Kunden an den Empfänger vor, wenn letzterer diesbezüglich gutgläubig war, sodass auch nur der Kunde beim Empfänger kondizieren muss. Die Bank darf hingegen das Kundenkonto trotz ihres Fehlers belasten.
Im neuen Überweisungsrecht bestimmt nun § 675j BGB ausdrücklich, dass auch ein widerrufener Zahlungsauftrag zu einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang führt, wenn die Bank den Widerruf missachtet. Die Folge ist dann in § 675u BGB geregelt: kein Aufwendungserstattungsanspruch der Bank beim Kunden. Kann die Bank damit nun in Fällen der zweiten Gruppe nicht mehr beim Kunden Regress nehmen?
Das LG Hannover war das erste Gericht, dass tatsächlich einen solchen Fall zu entscheiden hatte (Urt. v. 21.12.2010, EWiR 2011, 589 mit Anm. Madaus), und es entschied zugunsten des Kunden. Dieser hatte seine Bank angewiesen, 20.000 Euro binnen zwei Tagen zu überweisen. Da das Einhalten des Zeitfensters wichtig war und er seinen Bankberater nicht erreichen konnte, suchte der Kunde am Folgetag nochmals die Bank auf und veranlasste dort eine Eilüberweisung desselben Betrags, wobei er gleichzeitig den ersten Auftrag widerrief. Diesen Widerruf leitete die Bankangestellte leider nicht an den Bankberater des Kunden weiter, sodass der Betrag zweimal überwiesen wurde. Das Landgericht hat hier die Bank für ihren Fehler haftbar gemacht und auf die Kondiktion beim Empfänger verwiesen. Es wich damit im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung bewusst von den Grundsätzen des BGH ab – ich meine zu Recht.
In § 675z BGB ist ausdrücklich normiert, dass § 675u BGB abschließend die Ansprüche zwischen Bank und Kunde bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen regelt. Die Normen wirken damit als Kondiktionssperre. Die in der BGH-Rechtsprechung angenommene und nicht unbestrittene Differenzierung nach der Art der fehlenden Autorisierung lässt sich angesichts der Richtlinienvorgaben nicht mehr halten. Die Überweisung basiert nie auf einem Fehler des Kunden. Zugleich ist der Empfänger in allen Fallvarianten gleich schutzbedürftig, kann er den Grund für das Fehlen eines wirksamen Überweisungs-auftrags doch nie einsehen.
Die Rückabwicklung fehlerhafter Überweisungen könnte mithin in Zukunft einfacher und kundenfreundlicher werden.
Update: Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.6.2015 seine bisherige Recht-sprechungslinie aufgegeben und folgt im Anwendungsbereich des § 675u BGB nun – wie in meinem Beitrag befürwortet – einer kundenfreundlichen Sichtweise, die die Bank zur Rückforderung des Überweisungsbetrags beim Empfänger verpflichtet (siehe BGH NJW 2015, 3093). Ich danke Herrn Rechtsanwalt Dr. Linardatos für den Hinweis; seine Urteilsbesprechung ist in DB 2015, 2319 abgedruckt.
sehr aufschlußreicher beitrag. ob dies cauch anwendbar ist, wenn die bank in 201u.2014 die bearbeitungsgebühr 2x überwiesen hat. diese nun zurück fordert.
ihre antwort sehe ich entgegen.
mfg klatte
Rechtsberatung darf ich hier leider nicht leisten. Daher nur so viel: 2001 galt jedenfalls noch das alte Recht mit den BGH-Grundsätzen zur Kondiktion. 2014 könnte das neue Recht helfen.