Der Europäische Rat konnte sich – nach durchaus kontroversen Verhandlungsrunden – vor Weihnachten mit dem Europäischen Parlament auf einen finalen Text der Restrukturierungsrichtlinie einigen. Dabei war insbesondere die konkrete Ausgestaltung des Restrukturierungsrahmens streitig, hatte hier das Parlament in seiner Stellungnahme doch einige durchaus problematische Positionen bezogen (dazu näher hier).
Die nun veröffentlichte finale Fassung des Richtlinientextes macht nach einer ersten Durchsicht deutlich, dass die Kompromisslinie – zum Glück – nahe an der Ratsposition gefunden wurde.
- Der Zugang zu Restrukturierungshilfen kann von einem Viability-Test abhängig gemacht werden, muss es aber nicht.
- Eine Beteiligung des PIFOR (Restrukturierungsexperten) wird nur bei vollständig kollektiven Moratorien (vorbehaltlich einer gerichtlichen Notwendigkeitsprüfung), bei Notwendigkeit eines Cross-Class-Cramdown oder bei Antrag des Schuldners oder der Gläubigermehrheit zwingend.
- Der Vollstreckungsstopp kann kollektiv oder auch selektiv gestaltet werden und kann zunächst max. 4 Monate dauern, verlängerbar auf max. 12 Monate.
- Insolvenzantragspflichten sind bei Anordnung eines Vollstreckungs-stopps suspendiert; eine Ausnahme bei Zahlungsunfähigkeit ist möglich.
- Die Planvorlage bedarf nicht zwingend eines begleitenden Experten-gutachtens. Sie kann in Mitgliedstaaten auch für Gläubiger oder den PIFOR geöffnet werden.
- Das Erreichen einer Kopfmehrheit in der Gruppe ist nur notwendig, wenn dies Mitgliedstaaten so vorsehen.
- Der Abbau von mehr als 25% der Arbeitsplätze im Plan löst eine gesonderte Bestätigungsnotwendigkeit aus, wenn insoweit eine Plananfechtung erfolgt.
- Ein Cross-Class-Cramdown ist möglich unter Einhaltung der Relative-Priority-Rule, wobei die Mitgliedstaaten alternativ auch an der Absolut-Priority-Rule festhalten können. Jedenfalls sind hier Ausnahmen für SME möglich.
- Rechtsmittel gegen die Planbestätigung haben keine aufschiebende Wirkung.
- Die Vorgaben an die Gestaltung der Geschäftsführungspflichten in der Krise bleiben eher vage.
Die Parlamentsposition findet sich vor allem in der Sicherung der Beteiligung der Arbeitnehmer am Verfahren, soweit dieser Personalmaßnahmen beinhaltet, sowie in Privilegierungsklauseln für Kleingläubiger wieder. Auch konnte das Parlament festhalten, dass die Bestätigung eines Restrukturierungs-plans auch bei vollständiger Gläubigerunterstützung dann erforderlich ist, wenn nach dem Plan mehr als 25% der Arbeitsplätze verloren gehen und der Plan insofern angefochten wird (Art 10 (1)(b) und (2) letzter Satz. Voraussetzung hierfür ist nach Erwägungsgrund 30 allerdings, dass der Plan nach nationalem Recht selbst unmittelbar die Anpassung/Beendigung der Arbeitsverhältnisse beinhalten darf. Im deutschen Recht ist dies einem Plan bislang nicht möglich; es bedarf der arbeitsrechtlichen Umsetzung im Wege der Kündigung. Bliebe dies so, hätte dieser Bestätigungstatbestand keine Relevanz.
Insgesamt findet sich ein Rechtsrahmen, der eine Vielzahl an Ausgestaltungsfragen dem nationalen Gesetzgeber überlässt. Die Diskussion wird sich also nach Berlin verlagern. Dabei wird man nicht aus dem Auge verlieren dürfen, wie unsere Nachbarn ihre Ausgestaltungsspielräume nutzen. Ein wenig restrukturierungsfreundliches deutsches Recht droht ansonsten durch Verfahren bei den Nachbarn marginalisiert zu werden (eingehend hierzu mein aktueller Blog-Beitrag bei Tax-Legal-Excellence).