[Update: 25.4.2020]
Die Pandemie hat nicht nur zu gesundheitspolitischen Reaktionen in betroffenen Ländern geführt, auch wirtschaftspolitische und insolvenzrechtliche Maßnahmen sind in der Regel Teil eines Maßnahmenpakets, sind doch Auswirkungen der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen auf die Ökonomie klar erkennbar.
Strukturell finden sich in der Regel finanzielle Unterstützungsmaßnahmen (emergency funding) in Kombination mit einer Aussetzung von Zerschlagungsmechanismen zugunsten einer „Verschiebung“ von Insolvenzverfahren auf der Zeitachse (zB in Deutschland, auch UK, Spanien oder Italien) oder zugunsten gerichtlicher Sanierungsverfahren (zB in den Vereinigten Staaten oder den Niederlanden). Empfehlungen für eine Krisenreaktion finden sich im aktuellen CERIL Statement.
Übersichten über weltweit getroffene Maßnahmen mit insolvenzrechtlichem Fokus finden sich inzwischen beim International Committee of the American Bankruptcy Institute und bei INSOL Europe. Übersichten jenseits des Insolvenzrechts bieten insbesondere das Yale Program on Financial Stability (YPFS) (finanzpolitischer Schwerpunkt) oder der Policy Tracker des IMF. Eine Vielzahl von erläuternden und auch kritischen Veröffentlichungen zu diesen Maßnahmen entsteht gerade erst (siehe etwa hier) – in Deutschland bereiten die Fachzeitschriften eilig Sonderhefte vor.
Zugleich beginnt die Diskussion um die passende „Exit-Strategie“. Dabei wird man zum einen den Verschuldungsgrad in öffentlichen Haushalten adressieren müssen. Hier werden die Schulden schon durch die bereits beschlossenen Notfallfinanzmittel um Trillionen steigen. Zusätzlich werden Programme erwartet, um nach Ende der Beschränkungen wieder Wachstum zu stimulieren – all dies vor dem Hintergrund einbrechender Steuereinnahmen. Die Diskussion um „Corona Bonds“ in der EU gibt einen Vorgeschmack auf die hier drohenden Verwerfungen.
Zum anderen wird eine Vielzahl von Unternehmen in den von Beschränkungen direkt oder mittelbar betroffenen Branchen auch nach dem Ende dieser Maßnahmen erst einmal herausfinden müssen, wie weit sich die Umsätze im Markt wiederherstellen lassen. Daraus wird sich erst ergeben müssen, inwieweit ein inzwischen entstandener Verschuldungsgrad tragfähig ist. Der Insolvenzschutz muss insofern über den Zeitraum hinausreichen, in dem Beschränkungen des Wirtschaftslebens gelten. Es bedarf also eines nachlaufenden Zerschlagungsschutzes.
Darüber hinaus muss für die Unternehmen, die in dieser Zwischenzeit oder auch schon früher feststellen, dass sie einer Restrukturierung ihrer Passiva – oft begleitet von Anpassungen im operativen Bereich, insbesondere der Vertragsstruktur (Arbeits-, Miet-, Leasingverträge etc.) – bedürfen, effiziente Restrukturierungshilfen bereit stehen. Hier sind Staaten im Vorteil, die bereits über solche Hilfen verfügen (etwa die Vereinigten Staaten). Andere – etwa die Niederlande, aber auch England & Wales – nehmen die aktuelle Krise zum Anlass, Reformvorhaben zu beschleunigen. Deutschland muss diesem Vorbild folgen und die ESUG-Reform der InsO ebenso noch in diesem Jahr abschließen wie die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie. Diese Werkzeuge werden benötigt.