Insolvenzverfahren sind Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten und widerstreitenden Interessen. Die effiziente Handhabung dieser Konflikte ist daher eine der Kernaufgaben jedes Insolvenzrechts. Soll das Insolvenzgericht schnell und ggf. nur für die Berücksichtigung im Verfahren über Streitigkeiten unter Beteiligten entscheiden, wie es in vielen Ländern in der Tradition des spanischen Konkursverfahrens nach Francisco Salgado de Somoza üblich ist (Stichwort „vis attractiva concursus„)? Soll also insbesondere auch die Forderungsfeststellung im Streitfall beim Insolvenzgericht verbleiben? Sind Anfechtungs- und Herausgabeklagen mit Massebezug durch das Insolvenzgericht zu entscheiden? Oder sollte man dem deutschen Modell folgen und all diese Streitigkeiten auslagern und das Insolvenzgericht entlasten?
Mediation
In den letzten Jahren scheinen sich beide Rechtstraditionen anzunähern – durch die Einschaltung von Mediatoren. Die Bemühungen um die Entlastung der Justiz durch gerichtliche und außergerichtliche Mediation erreichen „ausgelagerte“ Streitigkeiten der Parteien eines Insolvenzverfahrens nach deutschem Modell ganz automatisch. Zugleich haben gerade in Common Law-Ländern Insolvenzgerichte die Praxis entwickelt, schwierige Streitfragen zunächst einem Mediator anzuvertrauen. Die Streitbeilegung durch Mediation hat so in vielen (wenngleich sicher nicht allen) Ländern Einzug in die Insolvenzpraxis gehalten.
Für grenzüberschreitende Streitigkeiten zwischen verschiedenen nationalen Insolvenzverfahren und Insolvenzmassen hat die EuInsVO 2015 mit dem Koordinator sogar eine formale Mediationsinstanz geschaffen, der sich die Beteiligten bedienen können. Ob es dieser neuen Institution angesichts der vielfältigen anderweitigen Mediationsoptionen tatsächlich bedurfte, wird man bezweifeln können. Genutzt wurde diese Option bislang jedenfalls nicht. Dennoch zeigt die gesetzliche Verankerung von Mediationsoptionen (auch in Form der Sanierungsmoderation im deutschen Restrukturierungsrecht), dass viele Gesetzgeber durchaus noch Entwicklungspotenzial für diese Streitbeilegungstechnik im Insolvenzraum sehen.
Schiedsverfahren (Arbitration)
Die Erledigung von Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren ist im Gegensatz zur Mediation wohl im ersten Schritt einfacher, wenn das Insolvenzgericht gewohnt ist, diese Streitigkeiten ohnehin nicht selbst zu entscheiden, sondern auszulagern. In Deutschland können Schiedsklauseln so auch für Forderungsfeststellungsstreitigkeiten bedeutsam bleiben. Ist das Insolvenzgericht hingegen eigentlich selbst zur Entscheidung berufen, tun sich die Gerichte nicht selten schwer, diese Entscheidungsmacht an ein Schiedsgericht abzugeben, selbst wenn die Parteien dies einvernehmlich wünschen. Die Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten in der Insolvenz wird zum zentralen Thema in der Praxis und in der wissenschaftlichen Diskussion (siehe etwa die Beiträge hier oder hier). Die Erkenntnisse der letzten Jahre scheinen aber auch hier zumindest einen Minimalkonsens zu erzeugen, nach dem gewisse Streitigkeiten (etwa die Forderungsfeststellung oder die Allokation von Massegegenständen) durchaus auch durch Schiedsverfahren effizient befriedet werden könnten.
ADR Colloquium at INSOL London 2022
Am Rande der diesjährigen INSOL International Conference in London werden all diese Fragen nun erstmals in einem fokussierten Event – dem ADR Colloquium – mit einer globalen Perspektive gestellt und diskutiert. Experten mit jahrelander Erfahrung in Mediation und Schiedsverfahren im Kontext von Insolvenzverfahren teilen ihre Sicht und erörtern die Zukunft moderner Streitbeilegungsmechanismen in Insolvenzverfahren gemeinsam mit dem interessierten Publikum. Ich bin froh, Teil dieses Events sein zu dürfen und das Panel zu Schiedsverfahren zu moderieren. Sollten Sie also in London sein, schauen Sie doch mal rein.