Mit zwei gleichlautenden Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden gegen die Bestätigung und Freigabe zweier inhaltlich gleichlautender Bremer Insolvenzpläne (2 BvR 764/20 und 765/20) hat das Bundesverfassungsgericht am 28.10.2020 die Position des Insolvenzgerichts neu justitiert. Dabei begründet das Gericht überzeugend, dass „„die Bestätigung eines Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht gemäß § 248 InsO der rechtsprechenden Gewalt im Sinne von Art. 92 GG und mithin nicht der öffentlichen Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG zuzuordnen“ ist (Rn. 41 bzw. 49). Das Insolvenzgericht wird also rechtsprechend, nicht rechtsfürsorgend tätig, wenn es einen Insolvenzplan bestätigt (so schon meine Argumentation in meiner Habilitationsschrift auf S. 339 ff., 366).
Damit unterscheidet sich die Tätigkeit des Insolvenzgerichts jedenfalls im Rahmen der Planbestätigung grundlegend von seiner sonstigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren, wird dieses doch traditionell als „Teil des Vollstreckungsverfahrens“ angesehen, in dem das Gericht keine „Urteile in einer Rechtssache“ fälle und daher auch nicht durch das Richterspruchprivileg des § 839 Abs. 2 BGB geschützt sei (BGH NJW 1959, 1085). Die Qualifikation als Akt er Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht wird dem Insolvenzgericht diesen Schutz nun zumindest für die Planbestätigung eröffnen.
Die zugrundeliegende Argumentation wird aber auch auf andere Konstellationen übertragbar sein. So wird man auch die Planbestätigung nach §§ 67 ff. RegE StaRUG als Akt der Rechtsprechung ansehen müssen und auch eine gerichtliche Vertragsbeendigung (§§ 51 ff. RegE StaRUG) wird diese Merkmale erfüllen. Die Angst der Insolvenzgerichte vor Amtshaftungsrisiken in Planverfahren – insolvenzrechtlichen wie vorinsolvenzlichen – wird auf der Basis dieser Verfassungsgerichtsentscheidungen weitgehend unbegründet sein.
Aus rechtsdogmatischer Sicht ist diese Qualifikation interessant, als sie deutlich macht, dass es bei der der Bestätigung von Insolvenz- wie auch Restrukturierungsplänen typischerweise um die „die letztverbindliche Klärung der Rechtslage in einem Streitfall“, also einen Akt der Rechtsprechung im Verständnis des BVerfG, geht. Dies trifft zu, wenn man den Plan als Vertrag begreift, der gegenüber der ablehnenden Minderheit eben nur durch gerichtlich unmittelbar durchgesetzten gesetzlichen Kontrahierungszwang verbindlich wird. Die Begründung passt aber auch bei konsensualen Plänen, da bei solchen Plänen der Aspekt der unmittelbaren Rechtskontrolle zum Zwecke der Heilung etwaiger Planmängel nach einer rechtskräftigen Sachentscheidung verlangt. Jeder Insolvenz- oder Restrukturierungsplan ist also ein Vertrag, dessen Zustandekommen das Gericht kontrolliert und ggf. gegenüber Planopponenten erzwingt. Solche gerichtlichen Restrukturierungsentscheidungen sind grundsätzlich verschieden von typischen Entscheidungen im Insolvenzverfahren. Genau diesen Umstand betont das BVerfG zu Recht. Das Restrukturierungsrecht – vor wie in der Insolvenz – ist daher einheitlich und in klare Abgrenzung zu den Prinzipien des Insolvenzrechts zu begreifen und zu entwickeln. Das gelingt dem Regierungsentwurf des StaRUG konzeptionell leider noch nicht.