Die Niederlande beginnen mit der Umsetzung – das „Dutch Scheme“ ist im Gesetzgebungsverfahren

Am 5. Juli 2019 hat das Justizministerium der Niederlande einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, der zur Umsetzung des Restrukturierungsrahmens der gerade erst im Amtsblatt veröffentlichten Restrukturierungsrichtlinie eine niederländische Version – genauer gesagt sogar zwei – des englischen Scheme of Arrangement beinhaltet. Dem interessierte Leser steht eine englische Version des Gesetzestextes zur Verfügung, ebenso eine Zusammenfassung durch RESOR.

Das atemberaubende Umsetzungstempo unserer Nachbarn wird dadurch erklärlich, dass Vertreter ihrer Restrukturierungsbranche gemeinsam mit dem Justizministerium schon angesichts des Richtlinienvorschlags der Kommission und des Brexit-Votum im Jahr 2016 damit begannen, ein „Dutch Scheme of Arrangement“ zu entwickeln. Dieses sollte die Stärken des englischen Vorbilds aufnehmen, zugleich aber dessen Schwächen (kein Moratorium, kein Cross-Class-Cramdown, keine Vertragsanpassungen wie im CVA) vermeiden. Es entstand ein Scheme of Arrangement, das mehr an das Singapurer Modell erinnert als das englische. Es findet sich ein gerichtliches Verfahren, in dessen Rahmen

  • ein Moratorium zur Verfügung steht,
  • der Schuldner in Eigenverwaltung bleibt,
  • Vertragsanpassungen ohne Plan erfolgen können,
  • die Kapitalstruktur kollektiv wie auch selektiv durch einen Plan restrukturiert werden kann,
  • die dazu erforderliche Gruppenbildung geprüft wird, die (elektronische) Abstimmung organisiert wird,
  • eine gerichtliche Bestätigung unter Berücksichtigung von Einwendungen erfolgt,
  • Rechtsmittel limitiert werden.

Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Verfahren eine öffentliche und eine nicht-öffentliche Variante kennt. Findet es öffentlich statt, wird es über seine Aufnahme im Anhang A der EuInsVO unterfallen. Dem nicht-öffentlichen Verfahren ist demgegenüber der Anwendungsbereich der EuInsVO verschlossen. Eine Anerkennung im EU-Ausland wird dann über die Brüssel Ia-VO erfolgen und damit ebenfalls automatsich möglich sein. Der Zugang wird dabei nicht vom COMI des Schuldners abhängen; die Beteiligung von Gläubigern mit Sitz in den Niederlanden oder niederländischem Vermögen würde ebenso genügen wie eine Gerichtsstandsvereinbarung mit Ziel Niederlande. Damit soll das „Dutch Scheme“ nach dem Vorbild Londons und Singapurs gerade für ausländische Unternehmen attraktiv werden.

Abgerundet wird diese Strategie durch das seit Januar 2019 tätige internationale Handelsgericht (Netherlands Commercial Court), das seine Verfahren in englischer Sprache führt und von den Parteien im Rahmen eines internationalen Wirtschaftsrechtsstreits durch eine Gerichtsstandsvereinbarung gewählt werden kann. Es soll insbesondere für „Dutch Schemes“ ausländischer Unternehmen das Forum der Wahl werden und so dem High Court in London, aber auch dem in Singapur Konkurrenz machen.

Für die deutsche Umsetzungsdiskussion schafft das „Dutch Scheme“ Maßstäbe. Dies gilt nicht einmal zwingend für seine Verfahrensgestaltung und die aufgenommenen Sanierungsinstrumente. Die Ausgestaltung als (optional) vollwertiges kollektives Restrukturierungsverfahren fällt einer Rechtsordnung sicher leichter, in der die letzte Gesetzesreform des heimischen Insolvenzrechts Jahrzehnte zurückliegt und die daher derartige Instrumente im Insolvenzverfahren nicht kennt, sodass keine Anpassungsdiskussionen entsteht. Hier sollten wir in Deutschland differenziertere Wege gehen. Was beeindruckt ist die konsequente Ausrichtung auf ein international wettbewerbsfähiges und attraktives Rechtsangebot. Noch mehr hervorzuheben ist die institutionelle Absicherung der neuen Verfahren durch den Netherlands Commercial Court. Ausländische Unternehmen wissen so – wie in England und Singapur – sehr genau, dass sie auf kompetente, entscheidungsfreudige und ökonomisch denkende Richter treffen. Hiervon sind wir in Deutschland Lichtjahre entfernt.