Die „Richtlinie über Restrukturierungs- und Insolvenz„, so ihr nun offizieller Kurztitel, ist in Kraft. Die Umsetzungsfrist läuft damit und das BMJV hat begonnen, Konsultationen mit allen Interessengruppen zu führen. Zugleich beginnt die Diskussion einer möglichen Richtlinienumsetzung auf einer Vielzahl von Tagungen und Vortragsveranstaltungen. Gerade der Blick auf den präventiven Restrukturierungsrahmen wird dabei nicht selten von Vorstellungen geprägt, die sich an bekannten Vorbildern orientieren: der ehemaligen Vergleichsordnung, dem Scheme of Arrangement (oft englischer, manchmal nun auch irischer oder niederländischer Art), den französischen Präventivverfahren. Dies ist verständlich, kann man doch von eigenen früheren Erfahrungen bzw. von denen in anderen Rechtsordnungen lernen und profitieren.
Durch diese Prägung besteht allerdings die Gefahr, eine Umsetzungsoption zu übersehen, die sich ebenfalls in den Spielräumen der Richtlinie bewegt und zugleich an den Umstand anknüpft, dass jede Restrukturierung durch Verhandlungen mit dem Ziel einer konsensualen Lösung geprägt ist, die nur in gewissen, durch das Gesetz (und die Richtlinie) bestimmten Fällen einer gerichtlichen Beteiligung bedarf. Das Gericht kann dann nach den Vorgaben der Richtlinie vertragliche Rechte ebenso suspendieren wie gesetzliche Vollstreckungsmöglichkeiten. Pläne mit gewissem Inhalt (privilegierte Finanzierungen) werden trotz des Konsens aller Beteiligten erst verbindlich, wenn die gerichtliche Bestätigung vorliegt; mehrheitlich unterstützte Pläne ebenso. Die Regelungswirkung eines präventiven Restrukturierungsrahmens findet man also primär im Schuld- und Vollstreckungsrecht. Es liegt insofern nahe, die entsprechenden Regelungen ebenfalls dort zu verankern.
Um die Vorstellung einer zivilrechtlichen Umsetzung des präventiven Restrukturierungs-rahmens konkret möglich zu machen, habe ich mir erlaubt, sie in Form einer gesetzlichen Regelung mit Erläuterungen – also ähnlich wie ein Gesetzesvorschlag – zu formulieren (Download des PDF hier). Die Umsetzung der Richtlinie würde in neuen §§ 313a bis c, 314a BGB sowie einem neuen § 765b ZPO erfolgen. Daneben wären Ergänzungen in der InsO und dem GVG notwendig. Schließlich enthält der Vorschlag eine kurze Erläuterung der in ihm enthaltenen Regelungen zum Obstruktionsverbot, die nochmals die Bedenken ausräumen soll, die gegen eine Aufweichung der absoluten Vorrangregel geltend gemacht werden.
Die Idee einer zivilrechtlichen Umsetzung ist ein Denkanstoß. Sie soll zeigen, was möglich und aus meiner Sicht empfehlenswert ist, um eine Regelung zu schaffen, die insolvenzfern, international konkurrenzfähig und dogmatisch logisch verankert ist. Die so geschaffenen Sanierungshilfen wäre zivilrechtlich geprägt und folglich nicht in den Anhang A der EuInsVO aufzunehmen. Auch ausländische Unternehmen könnten sie über die Brüssel Ia-VO nutzen.