Der Rechtsausschuss verbessert das ESUG in letzter Sekunde

Der Rechtsausschuss verbessert das ESUG in letzter Sekunde

Der Bundestag hat am 27.10.2011 das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen beschlossen. Das Insolvenzrecht wird damit in einigen wesentlichen Punkten neu ausgerichtet. Ob es damit zugleich verbessert wird, mag in einigen Punkten durchaus fraglich sein – die entsprechende Diskussion füllt die Fachzeitschriften der letzten Monate und Jahre. Insbesondere die Auswahl des Insolvenzverwalters über einen vorläufigen Gläubigerausschuss scheint in der Praxis verzögerungsanfällig und damit wenig tauglich, auch wenn der Ansatz einer frühen Gläubigerbeteiligung sicher überzeugt.

Endlich eine Einschränkung des Suspensiveffektes der Beschwerde

Wirklich bemerkenswert ist eine Änderung des ESUG, die erst durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages – und damit quasi in letzter Sekunde – in das Gesetz gerutscht ist: die Neuregelung in § 253 Abs. 4 InsO. Danach kann das Beschwerdegericht im Fall einer Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluss diese unverzüglich zurückweisen, wenn „das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen“. Da zugleich das Abhilfeverfahren beim Insolvenzgericht ausgeschlossen wird, kann auf diesem Wege trotz der Einlegung von Rechtsmitteln schnell eine Rechtskraft der Bestätigungsentscheidung erreicht werden. Die Wirkungen des Insolvenzplans können durch Rechtsmittel nicht mehr lange verzögert werden. Der Beschwerdeführer wird zugleich auf einen möglichen Schadenersatz im Falle einer inhaltlich begründeten Beschwerde verwiesen.

Entgegen der Argumentationslinie des BMJ greift der Rechtsausschuss damit endlich Vorschläge auf, den Suspensiveffekt der Rechtsmittel gegen einen bestätigten Insolvenzplan zu beschränken und den Beschwerdeführer auf Schadenersatzansprüche zu verweisen. Im Gegensatz zu meinem Vorschlag in der NZI 2010, 430 geht das Gesetz nun nicht den Weg eines automatischen Eintritts der Planwirkungen, der nur auf Antrag des Beschwerdeführers und bei Glaubhaftmachung schwerer Nachteile verhindert werden kann. Es verlagert die Darlegungs- und Beweislast stattdessen auf den Insolvenzverwalter, der beim Beschwerdegericht die Zurückweisung der Beschwerde beantragen und ein Überwiegen der Nachteile einer Planverzögerung vortragen muss. Warum auch bei einem Schuldnerplan der Insolvenzverwalter allein antragsberechtigt sein soll, bleibt offen. Ich meine weiterhin, eine Abkehr vom Mechanismus des aktienrechtlichen Freigabeverfahrens, an dem sich der Gesetzgeber orientiert, hin zu einem Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekt sowie der dann fehlenden kassatorischen Wirkung einer Beschwerde wäre sachgerechter (dazu im Einzelnen meine Gedanken in NZI 2010, 430). Dennoch ist der Vorstoß des Rechtsausschusses als wesentlicher Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Der Suspensiveffekt einer Beschwerde wird zumindest relativiert und der Beschwerde bei Wegfall des Suspensiveffekts die kassatorische Wirkung genommen. Die Praxis sollte mit dieser Regelung sehr gut leben können.

Weitere wichtige Änderungen im Planverfahren

Wesentlich sind die Änderungen im Planverfahren, die das ESUG mit sich bringen wird.

  • Dem Insolvenzplan wird nun vor allem erlaubt, gesellschaftsrechtliche Fragestellungen der Sanierung selbst zu regeln. § 249 InsO wird damit faktisch bedeutungslos. Die Beschlussfassung der Gesellschafter über gesellschafts-rechtliche Maßnahmen kann durch deren Abstimmung über den Insolvenzplan erfolgen – eine erhebliche Vereinfachung des Sanierungsverfahrens. Problematisch ist hier allein die vom Gesetzgeber beabsichtigte Auslegung des neuen Obstruktionsverbotes in § 245 Abs. 3 InsO, über welche die Abstimmung der Gesellschafter faktisch bedeutungslos wird, da ihnen im Verweigerungsfall stets eine Zwangsbindung droht. Eine solche Normanwendung wird verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 9 GG) nicht gerecht und begegnet bei Aktiengesellschaften auch europarechtlichen Bedenken – Ausführungen hierzu finden sich in meinem Beitrag in der ZGR Heft 6/2011).
  • Wesentliches Ziel des ESUG ist in diesem Zusammenhang die Ermöglichung eines Forderungstausches (debt-to-equity-swap) zur schnellen Entschuldung und finanziellen Restrukturierung des Unternehmens. Dabei tauschen die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen in Anteile am sanierten Unternehmen. Der Reschtsausschuss stärkte die Attraktivität dieser Sanierungsoption in letzter Minute durch die Einführung einer Bestimmung zum Schutz vor sog. „change-of-control“-Klauseln im neuen § 225a Abs. 4 InsO. Offen bleiben erhebliche Bewertungsprobleme für die eingebrachten Forderungen sowie die weiter ungelöste Frage des Schutzes der Neugläubiger der Gesellschaft vor einer Gesellschaft ohne hinreichende effektive Eigenkapitalausstattung. Im Ergebnis wird üwohl nur einer neuer Weg zum Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz eröffnet werden, indem sich der Erwerber nun im Vorfeld die Forderungsmehrheit verschafft. Der dazu notwendige Erwerb ntoleidender Forderungen (distressed debt) sollte günstig möglich sein und ist auch im Verfahren, solange er offen erfolgt, nicht unzulässig.
  • Der Rechtsausschuss nahm eine Anregung des Bundesrates auf und stellt nun in § 217 InsO ausdrücklich klar, dass es einen „verfahrensleitenden Plan“ geben kann. Damit ist ein Insolvenzplan gemeint, der neben der Vermögensverwertung auch die Verfahrensabwicklung regelt. Diese Klarstellung war aus Sicht des Rechtsausschusses notwendig, da das LG Frankfurt am Main (NZI 2008, 110) die Zulässigkeit eines Insolvenzplans verneint hatte, der nicht die Bewältigung der Insolvenz im Ganzen vorsah, sondern nur einzelne Aspekte eines im Übrigen im Regelinsolvenzverfahren laufenden Insolvenzverfahrens regeln sollte. Der BGH ließ diese Frage offen (BGH NZI 2009, 230); die Literatur hält solche Insolvenzpläne für zulässig (vgl. Pape, ZInsO 2011, 1033, 1040) – zu Recht. Insofern ist die Klarstellung zwar nicht notwendig, aber zu begrüßen. Entscheidend ist aber zugleich der Hinweis in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/7511, S. 48), dass es dennoch weiter Regelungen in der InsO gibt, die nicht plandispositiv sind, insbesondere die zur Forderungsfeststellung und -prüfung. Hier endet weiter die Privatautonomie der Plangestaltung. In der Praxis gerade bei Massenverfahren wie insolventen betrügerischen Anlagefonds gewünschte Vereinfachungen in der Feststellung der Höhe der Insolvenzforderungen der geschädigten Anleger kann der Insolvenzplan damit weiter nicht beinhalten.

 

Der Bereicherungsausgleich bei Doppelüberweisungen

(Hinweis: Update vom 17.11.2015 am Ende des Beitrags)

Wer ein Girokonto hat, dem kann so einiges passieren. Der Zahlungsverkehr ist ein Massengeschäft und so kommt es nicht selten vor, dass Fehler passieren. Liegen die Fehler beim Kunden – gibt dieser also etwa die falschen Daten bei einer Überweisung an oder vergisst er die Löschung eines Dauerauftrags -, so ist er es natürlich, der das Risiko trägt, das angewiesene Geld nicht mehr zurückholen zu können. Sein Fehler – sein Risiko. Passiert der Fehler aber der Bank, beachtet diese also etwa nicht den ordnungsgemäßen Widerruf eines Überweisungs- oder Dauerauftrags, überweist sie irrtümlich zuviel oder führt sie einen Auftrag gar doppelt aus, so ist die Lage nach der herkömmlichen Rechtsprechung des BGH nicht so einfach. Hier ist es nicht automatisch die Bank, die nun dem Geld hinterherlaufen muss. Stattdessen schiebt der BGH in gewissen Fallkonstellationen dem Kunden das Risiko eines Bankfehlers zu. Doch es gibt Hoffnung.

Die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie hat dem deutschen Recht die §§ 675a ff. BGB geschenkt und damit erstmals eine ausführliche Kodifikation des bargeldlosen Zahlungsverkehrs geschaffen. Während die Richtlinie die Auslegung der neuen Normen gut erläutert, bleiben die Fragen der Einbindung des neuen Regelungswerkes in das deutsche System des Privatrechts dem deutschen Gesetzgeber vorbehalten. Dieser meinte nun, es gäbe nach der Umsetzung keinerlei Probleme, würde doch die bisherige, richterrechtlich geprägte Rechtslage, insbesondere zum Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen, durch die Umsetzung nicht berührt (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 113).

Schon die ersten Analysen der Wissenschaft zeigten, dass diese Feststellung durchaus fragwürdig ist (vgl. etwa Bartels, WM 2010, 1828, 1830; Grundmann, WM 2009, 1109, 1117). Hatte die Bank einen Geldbetrag an den Empfänger überwiesen, obwohl ein entsprechender Auftrag des Kunden fehlte oder rechtzeitig widerrufen worden war, so unterscheidet der BGH bislang in ständiger Rechtsprechung zwei bereicherungsrechtliche Konstellationen (vgl. zuletzt BGHZ 176, 234; BGH NJW 2011, 66, 69 f.): In der ersten Fallgruppe fehlt jede Anweisung des Kunden für eine Überweisung und eine solche ist ihm auch nicht zurechenbar (Überweisung trotz fehlendem oder gefälschtem Überweisungsauftrag; Doppelüber-weisung) – dann kann die Bank nicht beim Kunden kondizieren, sondern darf dessen Konto nicht belasten und muss selbst beim Empfänger kondizieren, wobei dessen Gutgläubigkeit in die Rechtmäßigkeit der Leistung unerheblich ist. Insofern deckt sich die Rechtsprechung problemlos mit der europarechtlichen Vorgabe, die sich in § 675u BGB findet: Bei einem „nicht autorisierten Zahlungsvorgang“ gibt es keinen „Aufwendungserstattungs-„Anspruch der Bank gegen den Kunden.

Problematisch wird nun die Behandlung der zweiten Fallgruppe: Hat der Kunde den Fehler der Bank, also die Falschüberweisung, „mit veranlasst“ (rechtzeitiger, aber missachteter Widerruf des Auftrags; Zuvielüberweisung der Bank), so liegt für den BGH eine Leistung des Kunden an den Empfänger vor, wenn letzterer diesbezüglich gutgläubig war, sodass auch nur der Kunde beim Empfänger kondizieren muss. Die Bank darf hingegen das Kundenkonto trotz ihres Fehlers belasten.

Im neuen Überweisungsrecht bestimmt nun § 675j BGB ausdrücklich, dass auch ein widerrufener Zahlungsauftrag zu einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang führt, wenn die Bank den Widerruf missachtet. Die Folge ist dann in § 675u BGB geregelt: kein Aufwendungserstattungsanspruch der Bank beim Kunden. Kann die Bank damit nun in Fällen der zweiten Gruppe nicht mehr beim Kunden Regress nehmen?

Das LG Hannover war das erste Gericht, dass tatsächlich einen solchen Fall zu entscheiden hatte (Urt. v. 21.12.2010, EWiR 2011, 589 mit Anm. Madaus), und es entschied zugunsten des Kunden. Dieser hatte seine Bank angewiesen, 20.000 Euro binnen zwei Tagen zu überweisen. Da das Einhalten des Zeitfensters wichtig war und er seinen Bankberater nicht erreichen konnte, suchte der Kunde am Folgetag nochmals die Bank auf und veranlasste dort eine Eilüberweisung desselben Betrags, wobei er gleichzeitig den ersten Auftrag widerrief. Diesen Widerruf leitete die Bankangestellte leider nicht an den Bankberater des Kunden weiter, sodass der Betrag zweimal überwiesen wurde. Das Landgericht hat hier die Bank für ihren Fehler haftbar gemacht und auf die Kondiktion beim Empfänger verwiesen. Es wich damit im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung bewusst von den Grundsätzen des BGH ab – ich meine zu Recht.

In § 675z BGB ist ausdrücklich normiert, dass § 675u BGB abschließend die Ansprüche zwischen Bank und Kunde bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen regelt. Die Normen wirken damit als Kondiktionssperre. Die in der BGH-Rechtsprechung angenommene und nicht unbestrittene Differenzierung nach der Art der fehlenden Autorisierung lässt sich angesichts der Richtlinienvorgaben nicht mehr halten.  Die Überweisung basiert nie auf einem Fehler des Kunden. Zugleich ist der Empfänger in allen Fallvarianten gleich schutzbedürftig, kann er den Grund für das Fehlen eines wirksamen Überweisungs-auftrags doch nie einsehen.

Die Rückabwicklung fehlerhafter Überweisungen könnte mithin in Zukunft einfacher und kundenfreundlicher werden.

Update: Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.6.2015 seine bisherige Recht-sprechungslinie aufgegeben und folgt im Anwendungsbereich des § 675u BGB nun – wie in meinem Beitrag befürwortet – einer kundenfreundlichen Sichtweise, die die Bank zur Rückforderung des Überweisungsbetrags beim Empfänger verpflichtet (siehe BGH NJW 2015, 3093). Ich danke Herrn Rechtsanwalt Dr. Linardatos für den Hinweis; seine Urteilsbesprechung ist in DB 2015, 2319 abgedruckt.

Abschied aus München

Nach zwei aufregenden, schaffensreichen und fruchtbaren Semestern an der LMU München endet nun meine Zeit dort. Ich möchte mich aus diesem Anlass bei allen bedanken, die mich das vergangene Jahr in München begleitet haben und muss zugleich gestehen, dass ich nicht allen persönlich danken konnte.

Vor allem gilt mein Dank Prof. Horst Eidenmüller und dem Lehrstuhlteam, insbesondere Frau Javid, Lars Hornuf und Andreas Vogel. Sie haben mich von Anfang an herzlich aufgenommen und familiär begleitet. DANKE! Gleiches gilt für die vielen Mitarbeiter und Professoren, die ich kennenlernen durfte. Es gab selten so spannende und zugleich entspannende Kaffeerunden wie mit euch.

Persönlich danke ich natürlich Markus Rehberg – ohne Dich hätte ich weder München noch die LMU wirklich kennen und schätzen gelernt.

Schließlich sei auch den Studenten in meinen Veranstaltungen für das positive Feedback gedankt. Das hat mich wirklich sehr gefreut.

Herzlich willkommen!

Dieser Blog ist neu. Anregungen und Hinweise sind daher stets ebenso willkommen wie neugierige Leser.

Was bietet der Blog?

Zum einen soll er Studierende aus meinen Lehrveranstaltungen einen Ort bieten, um Lehrmaterialien sowie Informationen zu den aktuellen Lehrveranstaltungen zu finden. Auch Fragen und Anregungen sind willkommen. Mehr dazu im Bereich Lehre.

Vor allem aber soll dieser Blog ein Diskussionsforum sein. In unregelmäßigen Abständen werden hier Veröffentlichungen zu Projekten und Publikation im Bereich des Wirtschafts-, Prozess- und vor allem Insolvenzrechts gepostet werden, die zu Kommentaren einladen und Diskussionen initiieren sollen.

Also, Kommentare und Fragen sind ausdrücklich erwünscht.