Die IDW-Standards unter der Lupe – was sind sie eigentlich?

Keine Sanierung ohne „IDW S6“?  Man könnte meinen, man hätte es mit einem Industriestandard zu tun. Oder versteckt sich dahinter ein Gesetz?

Auf Einladung des Hamburger Kreises für Sanierungs- und Insolvenz-Steuerrechts e.V. durfte ich solchen Fragen vor atemberaubender Alpenkulisse nachgehen. Das Gespräch versammelte auf Einladung von Dr. Stefan Debus und Dr. Günter Kahlert neben meiner Person auch Torsten Gutmann und Martin Lambrecht zu einer lebhaften und zum Teil auch kontroversen Diskussion um Herkunft, Wirkung und Erfolg der Standards S 6, S 9 und S 11 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.  Ich habe viel gelernt. Ich hoffe, es geht ihnen nicht anders.

Vorrang oder Kollision? Die Bedeutung anderer Rechtsgebiete in Insolvenzverfahren

Die Insolvenzordnung isoliert das Insolvenzverfahren nicht von anderen Rechtsgebieten. Es schafft keinen geschützten Raum. Zwar wird dem Insolvenzverwalter erlaubt, das Schuldnerunternehmen zu leiten und insofern auch als Arbeitgeber zu agieren. Im Übrigen bleibt er den Anforderungen des Arbeits-, Unternehmens- und Gesellschaftsrechts aber unterworfen. So macht etwa § 155 InsO deutlich, dass er die handelsrechtlichen Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten zu erfüllen hat. Die Sonderregeln des Insolvenzrechts bleiben punktueller Natur.

Die Bedeutung anderer Rechtsgebiete bleibt aber nicht nur für das Verwalterhandeln maßgeblich. Auch andere Verfahrensbeteiligten sind ihnen weiter unterworfen. Gläubigeransprüche werden in ihrer Durchsetzung zwar in das Verfahren kanalisiert; die Ausübung der auf diesen Ansprüchen beruhenden Mitwirkungsrechte, insbesondere der Stimmrechte, wird dem Gläubiger insolvenzrechtlich nicht vorgezeichnet. Hier bleibt er jenseits des § 238 Abs. 1 Satz 2 InsO internen Bindungen unterworfen, die insbesondere der Finanzverwaltung oder Sozialversicherungsträgern, aber auch Aufsichtsbehörden und anderen öffentlichen Interessenträgern Handlungsspielräume nehmen können.

Gerade in stark regulierten Märkten wie dem Luft- oder Bahnverkehr sind klassische insolvenzrechtliche Lösungsansätze wie übertragende Sanierungen oder Investoreneinstiege durch einen plangemäßen Anteilserwerb, ja sogar die bloße Betriebseinstellung (§ 1 BahnG), zudem nicht selten behördlichen Genehmigungserfordernissen unterworfen. Das Beihilfe- oder Kartellrecht kann hier Grenzen setzen und wird jedenfalls die Einbindung von Aufsichtsbehörden erfordern. Zugleich stellt sich die rechtspolitische Frage, inwieweit die gesetzlichen Regelungen in anderen Rechtsgebieten bereits das Insolvenzrecht mit seinen ja durchaus makroökonomisch begründeten Zielen und Funktionen im Blick hat. Auch wird zu prüfen sein, inwieweit es der Berücksichtigung neuer Instrumente im Restrukturierungsrecht bedarf.

Über all diese Fragen durfte ich auf Einladung von Dr. Rainer Eckert mit Marlies Raschke, Prof. Dr. Lucas Flöther und Dr. Stefan Sax diskutieren. Eine Aufzeichnung des Gesprächs finden Sie hier: