Die finale Fassung des SanInsFoG steht – und tritt zum 1.1.2021 in Kraft

Der Deutsche Bundestag wird heute, am 17.12.2020, ab 13:10 Uhr in zweiter Lesung das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) beraten und verabschieden. Grundlage der Abstimmung ist eine Fassung, die nach den Beratungen im Rechtsausschuss entstanden ist und zum Teil erhebliche Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf beinhaltet. Die wesentlichen Änderungen in der finalen Gesetzfassung lassen sich wie folgt beschreiben:

1. Änderungen im Restrukturierungsrahmen (StaRUG)

Die Änderungen, die das StaRUG durch den Rechtsausschuss erhalten hat, sind durch zwei Streichungen geprägt.

Zum einen entfällt der Abschnitt zur Vertragsbeendigung (§§ 51 ff. RegE) ersatzlos. Damit stehen bei Restrukturierungen in Deutschland weder die gerichtliche Vertragsbeendigung nach niederländischem Vorbild zur Verfügung, wie sie im Referentenentwurf vorgeschlagen und im Regierungsentwurf verwässert wurde, noch besteht die Option zur Regelung erst künftig fälliger Forderungen aus bestehenden gegenseitigen Verträgen im Plan nach englischem Vorbild, wie ich es im Rechtsausschuss angeregt hatte. Der Restrukturierungsrahmen wird so auf ein Instrument zur rein bilanziellen Restrukturierung von Stichtagsverbindlichkeiten reduziert. Die außergerichtliche Verhandlungen von laufenden Vertragsbeziehungen, insbesondere von Miet- oder Leasingverträgen, wird nicht unterstützt. Allerdings wird zum 1.1.2021 in solchen Fällen das BATNA nicht mehr nur aus der Wahl zwischen der Fortsetzung des Vertrags oder dem Gang zum Insolvenzgericht bestehen. Als dritte Option steht die Inanspruchnahme niederländischer Hilfen im Raum, die ohne eine Verlagerung des COMI, also ohne großen Aufwand, erreichbar und in Deutschland verwertbar sind. Es dürfte nur einiger erfolgreicher „Test“-Verfahren bedürfen, um die Diskussion um die Korrektur der späten Streichung dieses Instruments wiederzubeleben.

Zum anderen hat der Rechtsausschuss die Regeln zum Vorrang der Gläubigerinteressen ab dem Moment der drohenden Zahlungsunfähigkeit und die daran anknüpfende Organhafung (§§ 2 und 3 StaRUG) ersatzlos gestrichen. Das StaRUG greift damit nicht in Kernbereiche gesellschaftsrechtlicher Haftungsgrundsätze ein. Die weitreichende Prägung der Geschäftsführung durch insolvenzrechtliche Prüfungen entfällt. Dies ist sicher zu begrüßen, hätte aber auch zu naheliegenden Streichungen bei den Zugangshürden Anlass gegeben. Der im Grundkonzept des StaRUG verfolgte Geltungsanspruch insolvenzrechtlicher Prinzipien wird aber so zumindest an einer Stelle aufgeben. Es ist aber auch insgesamt kaum nachvollziehbar, warum insolvenzrechtliche Prinzipien nicht erst ab Insolvenzreife, sondern bereits bis zu zwei Jahre davor das Handeln der Beteiligten lenken sollen. Als dogmatische Grundlage taugt dieses Konzept wenig. Das Insolvenzrecht sollte diesen Regelungsbereich dem vertragsrechtlich geprägten Restrukturierungsrecht überlassen.

Die in der Begründung des StaRUG verfolgte dogmatische Fehldeutung begünstigt dann auch Irrwege des Gesetzgebers. So braucht es ohne eine Insolvenz eben keines kollektiv wirkenden Instrumentenkastens (kein common pool Problem), sodass die Verfahrenshilfen in Restrukturierungen auch keinen „quasi-kollektiven“ Charakter erhalten dürften. Das StaRUG zieht diese Grenze leider nicht, sodass es kaum verwundert, dass ein neuer § 93 nun für Fälle, in denen ein StaRUG-Verfahren aussieht wie ein Insolvenzverfahren, da es „gesamtverfahrensartige Züge“ aufweist, die Einsetzung eines „Gläubigerbeirats“ vorsieht, der dann wie ein Gläubigerausschuss agieren soll und insbesondere auch Gewerkschaftsvertreter einbezieht. An dieser Stelle besteht die Gefahr, dass ein Verfahren, das in der Öffentlichkeit vielleicht nicht mehr vom Insolvenzverfahren zu unterscheiden ist, bald auch die indirekten Kosten eines solchen Verfahrens erzeugt.

Zu bedauern ist, dass es nicht mehr gelang, Regelungen zur internationalen Zuständigkeit bei nicht-öffentlichen Verfahren zu ergänzen sowie die Sonder-Restrukturierungsbeauftragten zu entfernen oder aber näher zu definieren. Hier wird man auf Nachbesserungen nach einer Evaluierung hoffen müssen.

Immerhin findet sich im StaRUG weiter die Konzentration der Restrukturierungsgerichte und auch die Modularität und Flexibilität der Hilfen bleibt unangetastet. In der Summe findet sich im StaRUG damit immer noch ein moderner und flexibler Instrumentenkasten zur Begleitung und Finalisierung von Restrukturierungen außerhalb der Insolvenz. Deutschland macht hier einen bedeutenden Schritt hin zu einem modernen Restrukturierungsstandort. Nun bedarf es erster „Leuchtturm-Verfahren“, um die Funktionalität des neuen Rechts und der mit ihm umgehenden deutschen Institutionen zu verdeutlichen und so auch im Ausland zu signalisieren, dass wir in Deutschland nicht nur übertragende Sanierungen und Liquidationen in der Insolvenz können (World Bank Ranking), sondern auch Restrukturierungen.

2. Änderungen in der InsO-Modernisierung

Die Änderungen, die der Rechtsausschuss gegenüber dem Regierungsentwurf im Bereich der Insolvenzordnung vornimmt, fallen ebenfalls eher punktuell, aber erheblich aus.

Hervorzuheben ist die Aufweichung der Vorgaben zur Gerichtskonzentration in § 2 InsO. Hier hat sich der Bundesrat durchgesetzt. Bedeutsam ist auch die Erstreckung des § 55 Abs. 4 InsO auf die vorläufige Eigenverwaltung, die danach nicht mehr von steuerlichen Vorteilen profitiert. Den Sondersachwalter wird es in der InsO-Eigenverwaltung – im Gegensatz zu StaRUG-Verfahren – nicht geben.

3. Der Corona-Schutzschirm

Einen Schritt in die richtige Richtung macht der Rechtsausschuss auch in Sachen Corona-Schutzschirm. Hier wird Corona-Betroffenen nun die Möglichkeit eröffnet, über die bislang geltenden Regeln der InsO-Eigenverwaltung in ein Schutzschirmverfahren oder auch vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren zu gehen, selbst wenn bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Damit steht den Betroffenen nun ein Schutzschirm in Eigenverwaltung offen. Was weiter fehlt, ist jede Regelung dazu, wie die Betroffenen im Verfahren weiter vorgehen sollen. So gilt etwa die Dreimonatsfrist des § 270b InsO. Vorzugswürdig dürfte insofern weiter eine passgenaue Regelung für Pandemiebetroffene sein – ein zeitlich begrenztes Pandemierecht, das mehr ist als nur das Zurverfügungstellen des Insolvenzrechts. Vorschläge hierzu finden sich auch in meiner Stellungnahme im Rechtsausschuss.